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Die Sachverhaltszusammenfassungen sowie Urteilsanmerkungen geben unsere Auffassung wieder und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Da jedem Urteil ein bestimmter Sachverhalt zugrunde liegt sind Verallgemeinerungen regelmäßig nicht möglich und ersetzen keinesfalls die individuelle Prüfung eines jeden Sachverhaltes.

2 BvR 2718/10, 2 BvR 2808/11, 2 BvR 1849/11, 16.07.15 - 13:51 Uhr

Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden für eine Durchsuchungsanordnung endet mit der Befassung des zuständigen Richters


Pressemitteilung:

Die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden für die Anordnung einer Durchsuchung endet mit der Befassung des zuständigen Ermittlungs- oder Eilrichters und der dadurch eröffneten Möglichkeit präventiven Grundrechtsschutzes. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden; zugleich hat er drei Verfassungsbeschwerden gegen die gerichtliche Bestätigung von staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsanordnungen stattgegeben. Die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden lebt nicht dadurch wieder auf, dass der mit der Sache befasste Richter nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums entscheidet. Sie kann nur dann erneut begründet werden, wenn nachträglich eintretende oder bekannt werdende neue Tatsachen die Annahme von Gefahr im Verzug rechtfertigen. Dem Staat obliegt es, eine effektive Durchsetzung des grundrechtssichernden Richtervorbehalts zu gewährleisten, insbesondere durch angemessene sachliche und personelle Ausstattung der Gerichte.

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BGH 2 StR 379/14, 16.07.15 - 13:48 Uhr

Verhängung von Geldstrafe bei Absenkung der Untergrenze des Strafrahmens durch Anwendung eines vertypten Strafmilderungsgrundes


Wird durch Anwendung eines vertypten Strafmilderungsgrundes, der die Untergrenze des Strafrahmens einer Strafnorm, welche nur Freiheitsstrafe mit erhöhter Mindeststrafe androht, auf das gesetzliche Mindestmaß abgesenkt, ist wahlweise auch Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen möglich.

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BGH 3 StR 66/11, 16.07.15 - 13:46 Uhr

Keine Notwehr bei Wegnahme einer Sache durch Selbsthilfe


War eine Angeklagte von einem angetrunkenen Fußgänger bedrängt worden, kam es zu einer Rangelei, bei der sich die Angeklagte mit einem Taschenmesser verteidigte und die Kopfhörer ihres MP-3-Players beschädigt wurden und nahm die Angeklagte dem Fußgänger "im Gegenzug" sein Mobiltelefon weg mit der Erklärung, er werde dieses erst wiederbekommen, wenn er Schadenersatz für die Kopfhörer geleistet habe, kam es im weiteren erneut zu einer Auseinandersetzung, bei der sich die Angeklagte gegen den gewaltsamen Versuch des Fußgängers, sein Mobiltelefon wiederzubekommen, mit Messerstichen wehrte und in die Brust des Fußgängers stach, rechtfertigen diese Feststellungen den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung nicht, wenn das Tatgericht nicht geprüft hat, ob der Messerstich in die Brust des Fußgängers, der eine potenziell lebensgefährliche Verletzung erlitt, durch Notwehr gerechtfertigt war. Hierzu bestand Veranlassung, denn die Wegnahme des Mobiltelefons durch die Angeklagte kann möglicherweise durch Selbsthilfe gemäß § 229 BGB gerechtfertigt sein

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BGH 4 StR 426/11, 16.07.15 - 13:44 Uhr

Zum Rücktritt vom Versuch bei mehreren Tatbeteiligten


§ 24 Abs. 2 S. 1 StGB erfasst auch die Fälle, in denen die Beteiligten an der Tat den Rücktritt einvernehmlich durchführen. Dabei ist es ausreichend, wenn ein Beteiligter mit dem Rücktritt des anderen einverstanden ist. Handeln alle Beteiligten einvernehmlich, kann das schlichte Nicht-Weiterhandeln für die Erfolgsverhinderung i.S.v. § 24 Abs. 2 S. 1 StGB ausreichen.

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BGH 4 StR 346/12 , 16.07.15 - 13:41 Uhr

Vorraussetzungen der Versuchsstrafbarkeit im Rahmen eines Tötungsdeliktes


1. Das Versuchsstadium erstreckt sich auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht.

2. Der Angeklagte hat nach diesem Maßstab die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschritten und unmittelbar zur Verwirklichung seines Tötungsvorhabens angesetzt, als er in Tötungsabsicht mit seinem Pkw rückwärts auf die Nebenklägerin zufuhr. Denn zwischen ihm und der Nebenklägerin befand sich kein Hindernis mehr, so dass er das Tatopfer nach seiner Vorstellung aus der Parkbucht heraus ohne weitere Zwischenakte "in einem Zug" überfahren konnte.

3. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält.

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BGH 5 StR 46/08 , 16.07.15 - 13:38 Uhr

Irrtum über das Bestehen eines Zahlungsanspruches aus einem Drogengeschäft


Ein Irrtum über das Bestehen eines Zahlungsanspruchs liegt nicht vor, wenn sich der Nötigende lediglich nach den Anschauungen der einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Zahlungsanspruchs gegen das Opfer fühlt. Entscheidend ist, ob er sich vorstellt, dass dieser Anspruch auch von der Rechtsordnung anerkannt wird und er seine Forderung demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozess durchsetzen könnte.

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GSSt 1/07 , 16.07.15 - 13:35 Uhr

Entschädigung bei überlangem Strafverfahren aufgrund rechtsstaatswidriger Verzögerung


Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert
worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter
näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstel-
le der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen,
dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil
der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.

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BGH 2 StR 509/10 , 16.07.15 - 13:31 Uhr

Unverwertbarkeit eines mittels akustischer Überwachung aufgezeichneten Selbstgespräches


Ein in einem Kraftfahrzeug mittels akustischer Überwachung aufgezeichnetes Selbstgespräch eines sich unbeobachtet fühlenden Beschuldigten ist im Strafverfahren – auch gegen Mitbeschuldigte – unverwertbar, da es dem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit zuzurechnen ist.

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BGH 1 StR 476/12 , 16.07.15 - 13:27 Uhr

Anforderung an die Strafverfolgungsbehörden bezüglich des Übergangs von einer Zeugenvernehmung in eine Beschuldigtenvernehmung


1. Nach pflichtgemäßer Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde muss erst dann von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen werden, wenn sich der Verdacht so verdichtet hat, dass die als Zeuge belehrte Person ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht kommt.

2. Die Grenzen des Beurteilungsspielraums sind - gerade bei Tötungsdelikten - erst dann überschritten, wenn trotz starken Tatverdachts nicht von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen wird und auf diese Weise die Beschuldigtenrechte umgangen werden.

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BGH 5 StR 185/12 , 16.07.15 - 13:24 Uhr

Keine generelle Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Transportes von Rauschgift


1. Die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen kann sich "aus der Tat" nur dann ergeben, wenn die Anlasstat (hier: unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Rahmen einer Bandenabrede) selbst tragfähige Rückschlüsse auf die Bereitschaft des Täters zulässt, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen. Das Urteil muss deshalb Feststellungen zu einem etwaigen Beschaffungsfahrten (für Haschisch) vorausgegangenen Drogenkonsum und zum täglichen Konsumverhalten des Angeklagten enthalten.

2. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Rauschgifttransporteure bei Verkehrskontrollen zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen sind.

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